Eines Nachmittags hat mich ein junger Mann angerufen. Es war ihm peinlich, um einen Termin für ein psychologisches Coaching zu bitten. Seine Stimme war unsicher, eher schüchtern.

Er sagte, er weiß gar nicht, wie er es sagen soll. Ich habe ihn einen Termin für den folgenden Tag gegeben. Am Ende des Gesprächs sagte er, dass er erst 16 Jahre alt sei und ob seine Eltern mitkommen sollen, was ihm sehr unangenehm war. Da die erste Stunde bei mir in der Praxis meistens gratis ist, habe ich gesagt, er kann gerne alleine kommen und dann sehen wir weiter.

Mir war schon bewusst, dass seine Eltern mit an Bord müssen, damit ein psychologisches Coaching erfolgreich ist. Wenn das Umfeld außen vor ist, gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dann besteht das Risiko, dass der Erfolg des Coachings eingeschränkt wird.

Am nächsten Tag hat er dann den Termin per E-Mail abgesagt. Ich finde es traurig für ihn. Er hat gefühlt, dass er Hilfe braucht und hat diese eigenverantwortlich gesucht und gefunden. Dann hat ihn wohl seine Familie wieder von diesem Entschluss abgebracht.

Das kann viele Gründe haben. Einerseits Finanzielle. Eine private Therapie kostet so viel wie ein Luxussommerurlaub. Andererseits können da stigmatisierende Gründe dahinterstehen: In unserer Familie gibt es keine psychischen Gesundheitsprobleme und ähnliche Glaubenssätze.

Wenn jemand die Entscheidung getroffen hat, ein psychologisches Coaching oder eine Therapie zu beginnen, dann sollte dieser Mensch alle Unterstützung von seinem Umfeld bekommen.
Ich würde mir wünschen, dass die Eltern des jungen Mannes – oder ihm nahestehende Menschen – einen MHFA-Ersthelferkurs besuchen würden, damit sie wissen, wie sie ihren Sohn, bzw. Freund bestmöglich unterstützen können und er die Hilfe bekommt, die er braucht.

Ich habe diesen Fall gewählt. Leider habe ich vergleichbare Situationen schon öfters erlebt:
der Wille ist da; kurz vorher dann die Absage.

Denk daran:
Je früher jemand an den Themen arbeitet, desto schneller gesundet dieser Mensch. Ich hatte bereits Klienten*innen, die nach einer Handvoll Stunden ihr Leben wieder gut und ohne subjektives Leiden, genießen konnten.

Liebe Grüße,

Euer Ralf